«Aus meiner Sicht einseitig und verantwortungslos»

Boxenstopp mit Roland Bilang

«Aus meiner Sicht einseitig und verantwortungslos»

10. Januar 2022 agvs-upsa.ch – «Entsorgt den Verbrennungsmotor nicht zu früh, das wäre der grösste Fehler, den man machen kann»: Im Interview warnt Avenergy-Suisse-Geschäftsführer Roland Bilang vor den Folgen der ­aktuellen Politik, relativiert den Elektro-Boom und sagt, welche Rolle synthetische Treibstoffe in Zukunft spielen ­können.
 
kro. Herr Billang, «in der Politik wie in der Automobilbranche spricht man von einer unterwartet raschen Trendwende. Für viele scheint die Sache aus umweltpolitischer Sicht schon fast euphorisch begrüsst. Ist das Ende des Verbrennungsmotors tatsächlich besiegelt?» Sie haben diese Frage letzthin selbst gestellt. Wie lautet Ihre Antwort?
Roland Bilang, Avenergy-Suisse-Geschäftsführer:
 Meiner Meinung nach ist das eine gängige, aber oberflächliche Betrachtungsweise und ich halte es für dringend nötig, sie auf Basis von statistischem Material zu relativieren. Klar ist: Wir verzeichnen einen starken Anstieg der Verkaufszahlen von elektrisch angetriebenen Autos. Die von Ihnen erwähnte Betrachtungsweise stützt sich allein darauf und blendet aus, was auf der anderen Seite der Skala passiert, nämlich: Gleichzeitig werden auch immer mehr grosse Autos verkauft, die mit Benzin angetrieben werden. In vielen Fällen ist das Elektrofahrzeug heute ein Zweitfahrzeug – als Ergänzung zu einem thermisch angetriebenen Auto. Wenn der Nachbar zusätzlich zu seinem Offroader ein Elektromobil einlöst, mit dem er zwischendurch in die Stadt fährt, hat das kaum Einfluss auf den Treibstoffabsatz. Vor diesem Hintergrund sagt das überhaupt nichts aus über die Zukunft der Verbrennungsmotoren.


«Über der Elektromobilität hängt zudem seit Kurzem das Damoklesschwert der fehlenden Energieversorgung. In den aktuellen Schlagwörtern wie ‘Ladeangst’ und ‘Recht auf Laden’ ist die Gretchenfrage zu erkennen: Wird es ebenso rasch, wie die Elektromobilität nun Einzug in unseren mobilen Alltag halten soll, auch möglich sein, sie mit erneuerbarem Strom zu versorgen?» Das ist die zweite Frage, die Sie sich stellen. Wie lautet hier Ihre Antwort?
Man diskutiert die Frage, ob es künftig im Winter genügend Strom haben wird, erst seit Kurzem öffentlich. Ich habe an der letztjährigen Olma in St. Gallen ein Gespräch verfolgt, wo Kunden ein Elektrofahrzeug angeschaut und sich gleichzeitig gefragt haben, ob sie das später überhaupt laden können. Mir scheint, die Konsumenten sind heute in dieser Frage schon viel weiter als die Hersteller, die diese Autos in den Markt drücken. Klar, das sind keine Stromhändler, genausowenig, wie die Stromversorger Autohändler sind. Diese beiden Welten sind getrennt. Als Aussenstehender fragt man sich, ob es nicht unverantwortlich ist, den Stromverbrauch zu forcieren – notabene nicht nur im Mobilitäts-, sondern auch im Gebäudebereich – aber keine Antwort auf die Frage zu haben, woher der Strom dann tatsächlich kommen soll, vor allem der nötige CO2-freie. Die aktuelle politische Stossrichtung lautet schlicht und einfach: Super, wir haben die Elektromobilität, jetzt retten wir das Klima. Aus meiner Sicht ist das sehr einseitig, um nicht zu sagen verantwortungslos.


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Quelle: Tesla

Die Verkaufszahlen von E-Autos steigen schon fast sprunghaft. Muss man die Wirkung auf die Umwelt nicht insofern relativieren, als dass mit ihnen eher weniger Kilometer gefahren werden – und Langstrecken nach wie vor mit Benzin oder Diesel?
Es ist keine Herausforderung, herauszufinden, wie viele Kilometer ein Tesla gefahren werden muss, bis sich das ökologisch auszahlt. Die Herausforderung liegt vielmehr darin, diesen Umstand in eine vernünftige Diskussion einzubringen. Selbstverständlich hat die Elektromobilität ihre Vorteile, das ist keine Frage. Der ökologische Vorteil ist einfach überschaubar; zumindest so lange, als dass wir zumindest im Winter auch noch mit Strom aus deutschen Kohlekraftwerken herumfahren und die E-Autos nur für kurze Strecken bewegen. Damit sind wir weit entfernt von den zehntausenden von Kilometern, die es braucht, um die Umweltbilanz ins Positive zu drehen. Bei Fahrzeugen, die im Schnitt pro Woche 100 Kilometer fahren, dauert das lange, das ist für viele Leute eher weniger spannend. Als ich vor 10 Jahren bei der Erdölvereinigung zu arbeiten angefangen habe, war das mein erstes Editorial: Dass ein Dieselfahrzeug, das einen effizienten Motor hat, ebenso ökologisch ist wie ein Batteriefahrzeug. Das ist heute keine News, bemerkenswert ist einfach die Frage, warum solche Fakten nicht in die gesamte Diskussion einfliessen.

Sie haben sich gegen das CO2-Gesetz eingesetzt, das vom Schweizer Stimmvolk am 13. Juni 2021 bachab geschickt wurde. Wie muss ein CO2-Gesetz aussehen, mit dem sich auch Avenergy Suisse identifizieren kann?
Kurz gesagt, war das neue Gesetz ein Chaos und das Gesetz, das man heute hat, ist gut genug. Wir sind auf dem richtigen Weg, auch, weil wir den CO2-Ausstoss im Verkehr laufend reduzieren. Trotz der immer heftigeren Diskussionen, dass das nicht genügt, sind wir wenig skeptisch, was das Ziel 2050 betrifft. Wir plädieren hier auch für etwas Flexibilität. Wir werden Richtung Null kommen können, wenn man das richtig anpackt. Das neue CO2-Gesetz bot hier aus unserer Sicht schlicht keine sinnvollen Lösungen.

Biogene oder synthetische Treibstoffe spielen in den Szenarien von Avenergy eine grosse Rolle. Nur kostet ein Liter synthetisch hergestellter Treibstoff aktuell rund 4 Franken. Wie sieht Ihre Lösung aus?
Die Empa hat sich dazu schon sehr viele Gedanken gemacht und sie vor über einem Jahr in einer Broschüre von Avenir Suisse publiziert. Es kann aufgehen. Der Trick liegt unter anderem darin, dass man diesen synthetischen Treibstoff dem herkömmlichen Treibstoff beimischen kann. Mitunter das Faszinierende an diesen sogenannten «Drop-in Fuels» ist nicht nur die Mischung aus Bio und Synthetisch, sondern auch, dass man sich keine Gedanken über die Infrastruktur machen muss, weil diese vorhanden ist. Auf dieser Basis und mit einem Horizont von 30 Jahren lässt sich aufbauen und anfangen, die sechs Milliarden Liter Treibstoff, die jährlich in der Schweiz verbraucht werden, sukzessive zu ersetzen. Es laufen bereits viele Projekte dazu, auch wenn wir hier klar noch von einer Art «Ergänzung» sprechen müssen. Wir können auch nicht davon ausgehen, dass wir das alles alleine in der Schweiz produzieren. Man kann diese Synfuels im Ausland produzieren, wo genügend erneuerbare Energie gewonnen werden kann, und dann in die Schweiz bringen, wie man das heute mit dem Mineralöl macht. Deshalb auch mein Appell: Entsorgt die Verbrennungsmotoren nicht zu früh. Das wäre der grösste Fehler, den man machen kann.

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